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Diese Woche wurde mir mal wieder bewusst, wie schnell man einen Menschen brechen kann, wenn er den Eindruck hat, man würde von ihm denke, er könne etwas nicht – und das, obwohl er sich eben das genau wünscht. Mein Sohn musste am Frühstückstisch mit den Tränen kämpfen, wollte aber nicht sagen, was ihn beschäftigte. Erst nach hartnäckigem Nachfragen offenbarte er sich mir. Es mache ihn traurig, dass ich gesagt hätte, er könne Mathe einfach nicht. Ein Missverständnis, das ihn offensichtlich schwer beschäftigte. Ich hatte ihm zuvor gesagt, er müsse mehr lernen, damit er den Anschluss nicht verpasst. Aaron hatte das ganz anders verstanden.
Jemandem zu sagen, er könne etwas nicht, kann unvorstellbar demotivierend und demütigend sein. Viel schlimmer noch: Es kann bei einem Menschen tiefe Narben hinterlassen, gerade dann, wenn er sich eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als eben das zu können, was er vermeintlich nicht kann.
Ich selber habe solche Situationen auch schon erlebt. Es gibt tatsächlich Menschen, die diesen Satz wörtlich verwenden: „Du kannst das nicht!“. Dieser Satz klingt sehr final und endgültig. Er sagt aus, dass man für etwas kein Talent habe und eigentlich auch, dass man es besser lassen sollte sich darin zu verbessern. Es wäre ja doch nur vergebene Liebesmühe.
Grundsätzlich ist es auch richtig, sich auf seine Stärken zu besinnen und an der Verbesserung eben dieser zu arbeiten, anstatt zu versuchen seine Schwächen auszugleichen. Was mich aber an diesem Satz stört, ist, dass sich ein Mensch das Recht herausnimmt seine, wohlgemerkt, subjektive Wahrnehmung als allgemeingültig zu erklären.
Es ist ja nicht so, als dass wir Menschen nicht selber genau wüssten, was wir nicht so gut können, oder eben doch. Jeder hat Stärken – und eben auch Schwächen. Ich selber würde mir beispielsweise eine mathematische Schwäche attestieren. Heißt es aber im Umkehrschluss, dass ich Mathematik nicht kann? Wohl eher nicht. Sicher, ab einer gewissen Schwierigkeitsstufe wird es dann eng und ich bin überfordert. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, weil ich mich selber nicht so sehr dafür interessiere – und ich, im Gegensatz zu meinem Sohn, auch keine Prüfungen mehr schreiben muss.
Viel schlimmer wiegt ein solches Urteil dann, wenn man es bei Dingen zu hören bekommt, die man entweder sehr gerne macht, oder bei denen man selber überzeugt war oder ist, dass man sie gut erledigt. Die Steigerung davon ist eine solche Wertung von einer Authoritätsperson zu erhalten – seien es nun die Eltern, ein Vorgesetzter oder ein Sport-Trainer.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich als kleiner Junge zum Fussballtraining ging. Ich liebe Fussball. Jeden Samstag versuche ich die Spiele meiner Lieblingsmannschaft zu sehen. Und mir macht auch Sport ausgesprochen Spaß. Offenbar war ich aber nicht mit ausreichend natürlichem Talent ausgestattet. Im Training wurden die Guten bevorzugt. Ihnen wurde erklärt, was sie besser machen könnten. Wie sie noch einen Ticken schneller am Ball sein konnten. Oder wie man am Besten den Mann deckt. Die schwachen in der Mannschaft – dazu gehörte auch ich – konnten im besten Fall zusehen, welche individuellen Tipps der Trainer für die Guten parat hatte. Dadurch wurden die Guten natürlich immer besser – und die Schlechten immer schlechter. Wir waren an der Stelle schlicht überfordert. Ich bin mir sicher: Hätte sich der Trainer einmal mit uns Schwachen hingesetzt und hätte uns individuelle Tipps gegeben – wir hätten uns radikal verbessert.
Stattdessen wurde ich mit den Worten „Du bist nicht gut genug“ nicht aufgestellt. Die Trainerentscheidung, mich nicht aufzustellen, war richtig. Aber es war auch sein Versagen, dass er einige meiner Stärken nicht erkannt hat – aus mir hätte ein guter Verteidiger werden können.
Menschen, die einen Menschen mit „das kannst Du nicht“ abkanzeln, ordne ich mittlerweile in zwei Kategorien ein: Entweder sind sie damit überfordert andere Menschen zu fördern (weil sie es beispielsweise nämlich selber nicht können, was sie da so bemängeln), oder aber sie wollen einen Menschen loswerden bzw. mit Absicht demotivieren und klein machen. Es ist legitim einem anderen Menschen seine eigene Sicht auf die Dinge zu schildern und jemandem seine Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Aber als Authoritätsperson – Eltern, Lehrer, Chefs, usw. – hat man auch die Aufgabe Menschen besser zu machen. Das generelle Absprechen von Talent ist das Frustrierendste was man jemandem antun kann – selbst, oder gerade dann, wenn man nicht gerne lobt (was aus meiner Sicht sehr viel motivierender ist!).
Wie wäre es von daher beim nächsten Mal mit mit einem: „Das kannst Du nicht so gut, weil…“. So bekommt der Mensch die Chance selber nachzudenken, ob und wie er sich verbessern kann. Man selbst begibt sich nicht in Gefahr sich vielleicht doch fatalerweise zu irren. Aber in jedem Falle raubt man ihm nicht seine Hoffnung darauf irgendwann doch der Beste in diesem Bereich zu sein – also seine Motivation!
Ich glaube das kannst du nicht Fabi. Was sagen die anderen?
Fabi, Du kannst kein Akinator spielen.
Ich denke es sollte heissen: Du kannst nicht so gut Akinator spielen, weil du immer an Schräder denkst.
Aber, dann müsste doch Schräder das Ergebnis bei Akinator sein
Schön, dass Ihr dieses ernste Thema so ernst nehmt. Das könnt Ihr…
Ich sage lieber: „Ich denke, das liegt dir nicht so, dafür kannst du aber … besser.“ Das wirkt nicht so hart und ist nicht gleich so demotivierend. Es kann ja nicht jeder alles gleich gut können, das wäre ja auch langweilig. Aber du hast schon recht, dass manche Leute das ganz gezielt einsetzen, um andere fertig zu machen. Fast noch schlimmer sind aber die, die meinen, dass sie hier mit „umgekehrter Psychologie“besonders motivieren.
Was meinst Du mit “umgekehrter Psychologie”?
Was meinst Du mit „umgekehrter Psychologie“?
Wenn ich von etwas das Gegenteil behaupte, damit der andere mir beweisen will, dass es doch geht. Statt zu sagen, „versuche mal, durch den Bach zu waten“, sagt man „du brauchst gar nicht versuchen, durch den Bach zu waten, das kannst du sowieso nicht.“
Mein (neuer) Trainer beim Thaiboxen z.B. lässt uns deutlich spüren, dass er seine ‚Fortgeschrittenengruppe‘ lieber trainiert und es eine ‚Last‘ ist uns Anfänger zu trainieren. Auch nach einem Jahr Training, lässt er alle von 0 Anfangen, weil er mit der Arbeit des anderen Trainers nicht zufrieden war. Zudem bietet er zwar ‚für alle‘ Ausflüge in andere Studios an, unterstreicht aber durch die Blume, dass er lieber mit seinen Fortgeschrittenen fahren würde und zeigt einem, das man als Anfänger nicht ‚zur Gruppe gehört‘. Auch die Fortgeschrittenen selbst agieren so. Ich finde das ist kein Zusammenhalt und demotiviert. Ich habe nicht das Gefühl mit meinen Anliegen zu meinem Trainer kommen zu können, da man offenbar nur belächelt wird. Ich will nicht aufgeben und das durchziehen, will beweisen, dass ich auch gut werden kann, nur macht einem ein voreingenommener Lehrer die Sache nicht sonderlich einfach. So viel zu meiner eigenen Erfahrung.
Ich verstehe genau was Du meinst und teile das.