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Die Überschrift ist eigentlich nicht ganz richtig. Denn manchmal erfüllen sich Kindheits- bzw. Jugendträume, obwohl man sich eigentlich immer sicher war, dass diese einem niemals gelängen. Manchmal meint das Schicksal es eben doch gut mit einem und man kommt zu einer einmaligen, sich wahrscheinlich nie wieder bietenden Gelegenheit wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde.
Ich kann nicht behaupten, dass es schon immer mein größter Traum gewesen wäre, die Olympische Fackel tragen zu dürfen. Ich habe vielmehr die Menschen bewundert, denen man diese Ehre zugestand. Olympia ist immerhin die größte Sportveranstaltung der Welt. Nur die besten Sportler der Welt dürfen an der Veranstaltung teilnehmen und nur Menschen, die sich in irgendeiner Art und Form verdient gemacht haben, bekommen die besondere Ehre das Olympische Feuer auf seiner langen Reise zu begleiten. Wie sollte ich jemals ein solches Ziel erreichen können? Ich war noch nie ein großartiger Sportler. Ein Olympionike schon drei Mal nicht. Es lohnte sich also nicht zu träumen, war es doch ganz und gar sinnlos.
Die Olympischen Spiele 2012, die in diesem Jahr in London ausgetragen werden, steht vor der Türe. Einer der großen Hauptsponsoren ist der südkoreanische Smartphone-Hersteller Samsung. Als einer der Gründer und leitender Redakteur von AndroidPIT, einer der größten Webseiten der Welt zum Handy-Betriebssystem Android, habe ich natürlich regelmäßig mit dem Unternehmen zu tun. Es war auch Samsung selbst, das mich auf einen tollen Wettbewerb aufmerksam machte. Gesucht wurden drei deutsche Journalisten, die beim Olympischen Fackellauf teilnehmen, und die große Ehre selbst einmal das Feuer für ca. einen Kilometer zu tragen, übernehmen möchten. Samsung selbst hat bei der Auswahl der Probanden keinen Einfluss. Diese liegt alleine beim Olympischen Komitee. Dieses wiederum sucht sich seine Teilnehmer natürlich genau aus.
So kam es, dass man sich auch dort mit einer Geschichte – auf Englisch verfasst – bewerben musste. Was qualifiziert einen denn, die Fackel ein Stückchen in Richtung London tragen zu dürfen? Ich erinnerte mich bei meiner Geschichte an das Jahr 1992, als die Olympischen Winterspiele im französischen Albertville ausgetragen wurden. Mein Onkel lebt mit seiner Familie in Chambéry, was ebenfalls in den französischen Hochalpen, und damit nahe an der Austragungsstätte der damaligen Spiele liegt. Natürlich suchte das Organisationskomitee für das Tragen der Fackel Menschen, die sich im Sozialen und im Sport verdient gemacht haben. Meinem Cousin wurde damals die Ehre zuteil. Er selbst war und ist ein sehr guter Sportler in mehreren Disziplinen. Ich habe mich damals sehr für ihn gefreut und mit Bewunderung auf ihn geblickt. Aber ich wusste ja: Selbst wenn ich aktiv Sport treibe – es wird nie für Höheres reichen. Dass ich mit Samsung nun vielleicht doch die Chance bekommen könnte, war so etwas wie ein kleiner Wink des Schicksals.
All das schrieb ich ihn meine Geschichte.
Offenbar gab es Verständnis und Anerkennung vom Komitee, die mir in Form einer Zusage zuteil wurde. Eine Hürde musste allerdings noch genommen werden. Jeder Fackelträger muss sich einer sehr intensiven Sicherheitsprüfung unterziehen. Hierzu musste ein Fragebogen ausgefüllt werden, teilweise mit durchaus pikanten Fragen. Vier Wochen, so sagte man mir, würde es dann dauern, bis das Ergebnis des Checks vorliege. Habe ich mir irgendwann mal etwas zuschulden kommen lassen, das vielleicht noch im Weg stehen könnte? Es würde sicherlich auch nur ein kleiner Zweifel reichen, um mich nicht zuzulassen. Banges Warten also; und umso schöner, als man dann vom erlösenden, finalen „Go“ erfuhr.
Nun gehöre ich also dazu – zur Olympischen Familie 2012. Das stand zumindest in der E-Mail, die mir zugesendet wurde, als man mich vom positiven Securitycheck unterrichtete. Dass das nicht übertrieben war, durfte ich erleben, als ich im Mai nach London reiste. Bei der Einreise begrüßte mich der Zollbeamte mit „oh, you are part of the Olympics“, nachdem er meinen Reisepass verifiziert hatte.
Es ist ein schönes Gefühl zu spüren, dass man Teil der Olympischen Familie ist, selbst wenn man nicht zu den großen Sportlern gehört. Denn dabei sein ist schließlich alles.